Juan Manuel Sandoval und Diego Sandoval Ávila
Codex von Ayotzinapa, 2014
Erinnerungsschrift an die unrechtmäßigen Handlungen gegen Untergebene und insbesondere die indigenen Bevölkerungen in Neo-Neuspanien begangen von Vizekönig Enrique Peña Nieto [= mexikanischer Präsident im Jahr 2014].
- Abgabe des Goldes, des Silbers und anderer strategisch wichtiger Mineralien an die Imperien von Nordamerika und Europa, indem ganze Ortschaften umgesiedelt und ihre Anführer ermordet, aber auch das Wasser und die Mutter Erde verseucht werden.
- Wiedereinführung der Sklaverei durch eine Reform des Arbeitsrechts.
- Übergabe der Vorkommen von schwarzem Bitumen an Kräfte mit ebenso schwarzen Absichten.
- Einrichtung einer neuen Einheit von Gerichtsvollziehern und einer Neo-Inquisition, um die Ketzer, die gegen diese Maßnahmen sind, festzunehmen und verschwinden zu lassen.
- Anwendung von vorspanischen mesoamerikanischen zeremoniellen Praktiken wie etwa der des Häutens (XipeTotec [= aztekischer Frühlingsgott, der häufig mit der übergezogenen Haut eines für ihn gebrachten Menschenopfers dargestellt wird]), um widerständige Gemeinden zu terrorisieren, so wie im Fall der Schüler des Calmecac [= aztekische Schule für Adelige] von Ayotzinapa.
- Er hat auch die „Blumenkriege“ [= aztekische Kriegsform, die dazu diente, Opfergefangene für die im Haupttempel verehrten Götter zu generieren] wieder aufgenommen, um Gefangene zu nehmen wie die 43 Adler- und Jaguarkrieger [= aztekische Elitekrieger] des Calmecac [= Schule für adelige aztekische Schüler] von Ayotzinapa, die zurzeit Geiseln des despotischen Vizekönigs [= Präsident Enrique Peña Nieto] sind.
Das Verschwinden dieser Krieger weckte das Bewusstsein aller Völker, um zu kämpfen und Widerstand gegen diese unrechtmäßigen Handlungen zu leisten und Neo-Neuspanien von der neokolonialen Herrschaft zu befreien.
Der Anthropologe Juan Manuel Sandoval des Nationalmuseums für Anthropologie in Mexiko-Stadt und sein Sohn Diego, bildender Künstler, zeichneten in der Tradition vorspanischer Bilderhandschriften, zusammen mit Kindern den Códice de Ayotzinapa. Seit 2015 wird er einmal im Monat im Museum ausgestellt, um an die mutmaßliche Ermordung von 43 indigenen Studenten aus Ayotzinapa durch Polizei und Drogenkartelle zu erinnern und die Aufklärung dieses staatlich organisierten Verbrechens zu fordern. Am 26./27. September 2014 waren sie auf dem Weg nach Mexiko-Stadt zu einer Gedenkdemonstration an die brutale Niederschlagung der Student*innenproteste von 1968 durch Polizei und Armee. Die Erzählung des Codex verknüpft die Beschreibung vorspanischer, kolonialzeitlicher und aktueller grausamer Unrechtshandlungen. Die letzte Seite zeigt Demonstranten gegen neokoloniale Verhältnisse mit Protestrufen in Form von vorspanischen ‚Sprechblasen‘ (Voluten).
Das Original dieses auch bei Demonstrationen verwendeten Transparents wurde im Jahr 2018 der Gruppe Mütter und Väter von Ayotzinapa überreicht, die jeden Monat öffentlich die Aufklärung des Verschwindens der Studenten fordert.
Juan Manuel Sandoval Palacios/ Diego Sandoval Ávila
Codex von Ayotzinapa, 2014
Protesttransparent
Mexiko-Stadt
Reproduktion