Nura Qureshi
Are You Calling Me a Dog?, 2016 – 2018
“I wanted to document the remaining resigned, yet spirited, men and women of this barely recorded conflict, the Mau Mau uprising. Were they living on the land they once fought for? I recorded some of the places and paths that soon will be forgotten and overgrown, along with the trace of how they were used. I set out to capture the spirit of these buried places and in the end imagined some of the stories that took place on them.”
Nura Qureshi
Die Mau Mau Bewegung entstand 1952 in Kenia als Reaktion auf die grausame Unterdrückung und die Ungleichheiten, die die jahrzehntelange britische Kolonialherrschaft verursachte. Die Aufstände, überwiegend von Angehörigen der Kikuyu getragen, führten zu einem bürgerkriegsartigen Guerilla-Kampf, in dessen Verlauf etwa 7800 Widerstandskämpfer*innen getötet und 90.000 in von den Briten errichteten Lagern interniert wurden. Der fast ein Jahrzehnt andauernde Konflikt war die längste und gewalttätigste antikoloniale Kriegsführung in der ehemaligen britischen Kolonie Kenia. Obwohl er von den Briten niedergeschlagen wurde, legte der Mau-Mau-Widerstand den Grundstein für die Entkolonialisierung Kenias, die in der Unabhängigkeit im Jahre 1963 mündete.
Fast sechzig Jahre später ist die endgültige Befreiung von den ehemaligen Kolonialmächten nicht eingetreten, denn ein großer Teil der kolonialen Siedler*innen haben sowohl ihre gesellschaftliche Stellung als auch das Land beibehalten. Die traumatischen Spuren des gewaltvollen Konflikts sind dennoch bis heute sichtbar, während die ‘Held*innen’ von damals längst vergessen sind.
Die Künstlerin Nura Qureshi sucht in ihrem Fotoessay „Are You Calling Me a Dog?“ nach Spuren der Geschichte des Mau-Mau-Widerstandes. Mit Hilfe von historischen Quellen wie mündlichen und militärischen Überlieferungen, Interviews mit überlebenden Mau Mau-Kämpfern, Besuche von historischen Stätten werden zu Protagonist*innen der Fotos. Sie verzichtet auf grafische Darstellungen physischer Gewalt und konzentriert sich stattdessen auf die Initiations- und Kapitulationsrituale der Mau Mau sowie auf britische Symbole und Infrastrukturen der Unterdrückung, um die Brutalität und Entmenschlichung des Kolonialismus zu entlarven.
Nura Qureshi (geboren 1977 in Deutschland/ lebt und arbeitet in Berlin, Deutschland) studierte Fotografie an der Academy of Art University in San Francisco und ist Fotografin und bildende Künstlerin im Bereich Mixed Media. In ihren Fotografien untersucht Qureshi Orte und Praktiken, die mit der dunklen Geschichte der Menschheit verbunden sind, wie etwa die von Krieg, Kolonialismus und Völkermord. Auf der Grundlage von Archivarbeit und Interviews erforscht Qureshi in ihrer Arbeit Themen im Zusammenhang mit dem kollektiven Gedächtnis, dem historischen Archiv und den Beziehungen der Menschen zu ihrer gemeinsamen Vergangenheit.
→nura qureshi
Foto: © Felix Zeiske
Nura Qureshi
7 Oranges, Nairobi 2018
Aus der Serie Are You Calling Me a Dog?
26,6 x 40,0 cm | Digitaldruck auf Alu Dibond
Die Mau-Mau betrachteten diejenigen, die weiterhin für weiße Siedler*innen arbeiteten, als Verräter*innen. Die Weigerung, sich dem Widerstand anzuschließen, wurde mit dem Tod bestraft.
Nura Qureshi
Between Banana Leaves, 2018
Aus der Serie Are You Calling Me a Dog?
60,0 x 40,0 cm | Digitaldruck auf Alu Dibond
Die Mau-Mau benutzten Taschenlampen in Bananenbäumen, um ihre Anwesenheit zu signalisieren.
Nura Qureshi
Court Housing, Nyeri 2016
Aus der Serie Are You Calling Me a Dog?
40,0 x 50,0 cm | Digitaldruck auf Alu Dibond
Mau-Mau Kämpfer, die sich ergeben hatten, standen vor einem Tribunal von Richtern. Einige von ihnen waren in diesem, jetzt verlassenen, Gebäude in Nyeri neben dem Gerichtsgebäude untergebracht, in dem Dedan Kimathi, ein wichtiger Anführer des Widerstands, schließlich zum Tode verurteilt wurde.
Nura Qureshi
Villagization, 2016
Aus der Serie Are You Calling Me a Dog?
26,6 x 32,2 cm | Digitaldruck auf Alu Dibond
Villagization war das britische Programm der Zwangsumsiedlung, um die Versorgungsleitungen von den Mau-Mau abzuschneiden. Die Bewohner der Distrikte Kiambu, Nyeri, Murang’a und Embu mussten hinter Stacheldrahtzäunen und Wachtürmen in „geschützte Dörfer“ ziehen.
Nura Qureshi
Confessed, 2017
Aus der Serie Are You Calling Me a Dog?
26,6 x 40,0 cm | Digitaldruck auf Alu Dibond
Inhaftierte Mau-Mau waren mit Symbolen in ihren Akten gekennzeichnet:
X: Gestanden und kooperativ
Z: Hardcore
Nura Qureshi
Confessed II, 2017
Aus der Serie Are You Calling Me a Dog?
26,6 x 40,0 cm | Digitaldruck auf Alu Dibond
Inhaftierte Mau-Mau waren mit Symbolen in ihren Akten gekennzeichnet:
X: Gestanden und kooperativ
Z: Hardcore
Nura Qureshi
The Oath Administrator, 2018
Aus der Serie Are You Calling Me a Dog?
60,0 x 80,0 cm | Digitaldruck auf Alu Dibond
Die Eidverwalter waren dafür verantwortlich, die Bewegung vorzustellen und die Gelübde zu lesen, die von denjenigen wiederholt werden sollten, die ihre Treue zum Widerstand schwören.
Nura Qureshi
Surrender, 2017
Aus der Serie Are You Calling Me a Dog?
60,0 x 40,0 cm | Digitaldruck auf Alu Dibond
Mau-Mau-Kämpfer, die sich ergeben wollten, identifizierten sich, indem sie grüne Zweige vor ihren Gesichtern trugen.
Nura Qureshi
Muddy Pit, 2018
Aus der Serie Are You Calling Me a Dog?
60,0 x 40,0 cm | Digitaldruck auf Alu Dibond
Nach Aussagen von Überlebenden haben das britische Militär Verdächtige und Gefangene von Mau-Mau gefoltert, indem sie sie zwangen, ihre eigenen Gräben zu graben, sie mit Wasser zu füllen und lange Zeit darin zu liegen.
Nura Qureshi
Kipande, 2016
Aus der Serie Are You Calling Me a Dog?
26,6 x 26,6 cm | Digitaldruck auf Alu Dibond
Auf dem Kipande Ausweis waren persönliche Daten, die Beschäftigungsgeschichte und die Gruppe, zu der eine Person gehörte, angegeben und musste jederzeit mit diesem Metallbehälter und Kette um den Hals getragen werden.
Nura Qureshi
Moving Gallows, 2017
Aus der Serie Are You Calling Me a Dog?
33,6 x 40,0 cm | Digitaldruck auf Alu Dibond
Während des Emergency führte das britische Militär den „effizienteren” bewegbaren Galgen ein, um Mau-Mau-Verdächtige aufzuhängen. Von diesem Galgen ist nur noch eine Kopie eines Fotos übrig.
Nura Qureshi
Editions Mau-Mau, Nyeri 2016
Aus der Serie Are You Calling Me a Dog?
40,0 x 26,6 cm | Digitaldruck auf Alu Dibond
Überbleibsel und Erinnerungsstücke der Mau-Mau sind oft schwer zu finden. Viele Artefakte und Aufzeichnungen wurden zerstört oder sind versteckt, wie diese Schallplatte in einem Haus in Nyeri.