Angela – Portrait of A Revolutionary

Angela – Portrait of A Revolutionary

Cinema RESIST! 26.–28.02.2021 
Film accordion-plus accordion-minus
Angela - Portrait of A Revolutionary
USA/Frankreich 1971, OmdtU, 60 Min., s/w, digital (Originalmaterial: 16 mm)
Regie: Yolande du Luart

Zum Auftakt der Filmreihe Cinema RESIST! zeigt das Rautenstrauch Joest Museum angesichts der jüngeren Ereignisse sowie des andauernden Rassismus in den USA und anlässlich des Black History Month, den Schwarze Communities in Kanada und den USA, aber auch hierzulande, jeden Februar begehen, den Dokumentarfilm Angela - Portrait of A Revolutionary, Portrait einer Revolutionärin - ein Film der französischen Dokumentarfilmerin Yolande du Luart (USA/Frankreich 1971).

 

Einführung: Aurora Rodonò, RJM, Diversity-Managerin

Synopse accordion-plus accordion-minus

Der Film ist ein einmaliges Portrait der jungen Philosophieprofessorin und Aktivistin Angela Davis, die bei Drehbeginn 1969 an der University of California in Los Angeles (UCLA) Philosophie lehrt und wenig später als engagierte Kommunistin und Mitglied der Black Panther Party verhaftet wird.

 

Schon die Eröffnungsszene führt uns mitten ins Geschehen und zeigt die Verhaftung von Angela Davis. Nachdem sie im Sommer 1969 eine Assistenzprofessur an der Universität von Los Angeles erhalten hatte, veranlasste der damalige Gouverneur von Kalifornien Ronald Reagan ihre Entlassung, als ihre Parteizugehörigkeit zur kommunistischen Partei bekannt wird. Allerdings musste Angela Davis infolge eines Gerichtsbeschlusses wieder eingestellt werden.

 

In dieser Zeit wird sie Mitglied der Black Panther Party und freundet sich mit George Jackson an, der 1960 im Alter von 18 Jahren verhaftet wird, weil er 71 Dollar an einer Tankstelle in Los Angeles gestohlen haben soll.

 

George Jackson, der sich im Soledad Gefängnis politisiert, wird Mitglied der Black Panther Party, und Angela Davis motiviert ihn, ein Buch über seine Haftbedingungen zu schreiben. „Soledad Brother“, eine Sammlung von Briefen, die George Jackson zwischen 1964 und 1970 schreibt, entsteht.

 

1970 dann werden George Jackson und zwei weiteren Inhaftierte – Fleeta Drumgo und John Cluchette – fälschlicherweise des Mordes an einem weißen Gefängniswärter angeklagt.
Angela Davis organisiert ein Verteidigungskomitee, die drei Gefangenen werden als Soledad Brothers bekannt, und Angela Davis‘ Vertrag an der Universität wird nicht verlängert.

 

Als der jüngere Bruder von George Jackson, Jonathan Jackson, während eines Gerichtstermins durch Geiselnahme versucht, die Freilassung der Soledad Brothers zu erwirken, kommen vier Menschen zu Tode, und Angela Davis wird als Mittäterin verfolgt und am 13. Oktober 1970 verhaftet. Hier startet der Dokumentarfilm von Yolande Du Luart.

Kontext accordion-plus accordion-minus

Insgesamt lässt sich sagen, dass der Film für eine aktivistische und kollektive Filmpraxis steht, die typisch für die 1970er Jahre ist. In den USA war es die Zeit der Newsreel-Kollektive, eine von dem litauisch-amerikanischen Avantgarde-Filmer Jonas Mekas angestoßene kooperative Bewegung, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, politische Filme zu machen und sämtliche Aspekte kinematografischer Praxis zu hinterfragen: Produktion, Regie, Verbreitung. Auch in Frankreich schlossen sich Ende der 1960er Jahre Regisseur*innen, Kameraleute und Techniker*innen an vielen Orten zusammen und unterstützen Widerstandsbewegungen, Guerilla-Aktionen oder Arbeiter*innenkämpfe.

 

Der Dokumentarfilm Angela – Portrait of a Revolutionary lässt sich in diesem Kontext verorten und überblendet die verschiedenen Befreiungskämpfe gegen Kolonialismus und Imperialismus. So gibt es in dem Film eine Szene, in der Angela Davis aus dem Spielfilm „La battaglia di Algeri“ (Die Schlacht um Algier) von Gillo Pontecorvo aus dem Jahre 1966 zitiert. Dieses Historiendrama erzählt von der algerischen Befreiungsbewegung und ihrem Kampf, die französische Kolonialregierung Mitte der 1950er Jahre zu stürzen (Algerien erlangte im Jahr 1962 die Unabhängigkeit) – eine Referenz, die für die Aktivistin Angela Davis von zentraler Bedeutung ist.

 

Hier manifestiert sich der antikoloniale Kampf als transatlantischer Moment der Solidarisierung.

 

Der für den Film komponierte Song des Saxofonisten Harold Battiste „Free my Brother“ begleitet die Proteste der revolutionären Subjekte. Free my brother, free my Sister: eine Forderung, die leider nach wie vor dringlich ist.

Rückblick & Hintergrund accordion-plus accordion-minus

Angela Davis wird am 26. Januar 1944 in den USA, in Birmingham, Alabama, als viertes Kind der Lehrerin Sally Davis und des Tankstellenbesitzers Frank Davis geboren. Birmingham wurde innerhalb der Schwarzen Communities als „Bombingham“ bezeichnet und war mit Abstand die rassistischte Stadt im Süden der USA. Zwischen 1957 und 1963 verübten Mitglieder des rassistischen und protestantischen Ku-Klux-Klans mindestens 50 Terroraktionen, es gab mindestens 18 rassistische Bombenanschläge, und Lynchmorde waren an der Tagesordnung.

 

In diesem Klima kam es immer häufiger zu Aufständen der Schwarzen Bevölkerung, und nachdem 1965 der Bürgerrechtler Malcom X in Harlem ermordet worden war, gründeten Huey P. Newton und Bobby Seale am 15. Oktober 1966 in Oakland, Kalifornien, die Black Panther Party for Self-Defense – eine afroamerikanische  Organisation, die sich gegen Polizeigewalt und rassistischen Terror zur Wehr setzte und als marxistisch-leninistische Gruppierung den Zusammenhang von Kapitalismus und Rassismus anklagte.

 

Angela Davis, die ihre Kindheit bei einer Gastfamilie in New York verbracht hatte, damit sie hier die progressive High School Little Red School House besuchen konnte - in Alabama hatten Schwarze keine Möglichkeit, die höhere Schule zu besuchen -, hatte Anfang der 1960er Jahre die Schule mit Auszeichnung beendet und ein Stipendium für die Brandeis University in Waltham, Massachussettes, erhalten, an der der Politologe und Soziologe Herbert Marcuse lehrte. Hier studierte Angela Davis ab 1961 französische Literatur und ging von 1962 bis 1963 als Gaststudentin an die Sorbonne nach Paris. In Frankreich erlebte sie die Proteste gegen den Algerienkrieg und erkannte Parallelen zu den Befreiungskämpfen der Schwarzen in den USA. Später studierte sie in Frankfurt Philosophie und Soziologie bei Adorno und Habermas und kehrte 1967 in die USA zurück, wo sie bei Herbert Marcuse mit einer Arbeit zu Immanuel Kant promovierte.

 

Weil sich in der Zwischenzeit in den USA immer mehr Schwarze Aktivist*innen der Black Panther Party angeschlossen hatten und auch viele weiße Verbündete den Kampf unterstützten, kam es zu immer stärkeren Repressionen durch die Regierung.


Es folgten eine Vielzahl an Verhaftungen und Ermordungen durch Polizei und FBI, der Mitbegründer der Black Panther Party Huey Newton wurde in Oakland von der Polizei angeschossen, und am 6. Dezember 1969 wurde der Vorsitzende der Ortgruppe Chicago Fred Hampton ermordet. Angesichts dieser rassistischen Gewalt radikalisierte sich der afroamerikanische Freiheitskampf und „Black Power“ – Power im Sinne von Macht und Gewalt – wurde zur neuen Parole.

 

Angela Davis, die nun Professorin an der UCLA war, setzte sich für die Befreiung der Gefangenen ein.

 

Die Filmemacherin: Yolande du Luart accordion-plus accordion-minus

An der UCLA studierte auch Yolande du Luart, die Filmemacherin von Angela – Portrait einer Revolutionärin. Die französische Dokumentarfilmerin, die an der Sorbonne in Paris Philosophie studiert hatte, war Ende der 1960er Jahre Aktivistin in der Situationistischen Internationalen. Als Filmstudentin der University of California, Los Angeles (UCLA), drehte sie gemeinsam mit Kommiliton*innen den Dokumentarfilm Angela – Portrait of A Revolutionary.

 

Die Dreharbeiten dauerten vom Herbst 1969 bis Juli 1970, und obwohl es Yolande du Luart verboten wurde, auf dem Universitätsgelände zu drehen, gelang es ihr mit Hilfe unabhängiger Filmemacher*innen bzw. Schwarzer Filmemacher*innen, der Gruppe L.A. Rebellion, die Aufnahmen auf dem Campus zu machen.

 

Als das FBI auf die Filmarbeiten der Gruppe aufmerksam wurde, flog du Luart mit dem ungeschnittenen Rohmaterial sofort zurück nach Paris, um den Film dort fertigzustellen. Hier bekam sie Unterstützung vom französischen Fernsehen und vom Schriftsteller Jean Genet, der ab 1970 politisch aktiv war und in Paris mit Aktivist*innen der Black Panthers arbeitete.

 

Die Filmemacherin Yolande du Luart blieb in Frankreich, war in den folgenden Jahren als Übersetzerin und Autorin tätig und drehte eine Dokumentation zu Howard Hughes und zwei Filme zu China fürs französische Fernsehen.

 

 

Büchertipps accordion-plus accordion-minus

Angela Y. Davis: If they Come in the Morning. Voices of Resistance, Verso Books London/Ney York 2016 [First published by The Third Press 1971]

 

Willi Baer, Carmen Bitsch, Karl-Heinz Dellwo (Hrsg.): Angela Davis, Bibliothek des Widerstands, Band 2, Laika-Verlag Hamburg 2010.

 

Filmverleih: Laika-Verlag 

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